"Schau mir in die Augen"

Hundeblick hat es in sich
Schau mir in die Augen: Der treue Blick des Hunds auf sein Frauchen oder Herrschen ist sprichwörtlich. Jetzt haben Forscher herausgefunden, dass dieser Blickkontakt sich sogar auf unsere Hormone auswirkt – und auf die des Hundes. Bei beiden wird vermehrt das „Kuschelhormon“ Oxytocin freisetzt. Das wiederum sorgt für noch mehr Bindung und seelenvolle Augen-Blicke – und das vermutlich schon seit Jahrtausenden, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten. Der Hund ist nicht nur seit Jahrtausenden der sprichwörtlich treueste Begleiter des Menschen – er hat sich auch wie kaum ein anderes Tier auf uns eingestellt. So erkennen Hunde den emotionalen Gehalt unserer Äußerungen, erkennen vertraute Menschen auf Fotos und verstehen sogar unser Lächeln“ als Ausdruck guter Stimmung.
Blickkontakt verursacht Hormonschub – bei beiden
Das erstaunliche Ergebnis: Die Hunde-Mensch-Paare, die sich am längsten und häufigsten gegenseitig ansahen, hatten nach dem Experiment die am deutlichsten erhöhten Oxytocin-Werte. Je länger der Augenkontakt dauerte, desto höher waren bei beiden Partnern die Hormonwerte. Wiederholten die Forscher den gleichen Versuch mit Wölfen, die von Menschen aufgezogen wurden, trat dieser Effekt dagegen nicht auf.„Dies deutet darauf hin, dass Menschen eine ähnliche Zuneigung zu ihren Hunden empfinden können wie gegenüber einem Familienmitglied – deshalb aktiviert der Augenkontakt die Oxytocin-Systeme“, sagen die Forscher. Das passt zu früheren Studien, nach denen beim Menschen die gleichen Hirnbereiche aktiviert werden, wenn sie ein Bild ihres Kindes oder Hundes anschauen.Ob das beim Blickkontakt ausgeschüttete Oxytocin die Bindung zwischen Mensch und Hund wirklich verstärkt, prüften Nagasawa und seine Kollegen in einem weiteren Experiment. Dabei sprühten sie einigen Hunden eine Dosis Oxytocin in die Nase, bevor sie zu ihrem Besitzer in den Raum kamen. Die Folge: Die so behandelten Hunde schauten ihre Besitzer noch länger und häufiger an als die nicht behandelten – allerdings nur die weiblichen Hunde. Im Gegenzug erhöhte sich dadurch auch der Oxytocingehalt der Menschen stärker.
Wenn der Hund uns anschaut, löst das bei uns - und bei ihm - einen Hormonschub aus
Nach Ansicht der Forscher sprechen diese Ergebnisse dafür, dass es eine zwischenartliche Feedback-Schleife gibt, die vom Oxytocin angetrieben wird – eine sich selbst verstärkende Wechselwirkung: Je länger sich Hund und Mensch anschauen, desto mehr „Kuschelhormon“ wird in ihnen beiden ausgeschüttet. Als Folge fühlen sie sich stärker verbunden – und schauen sich noch länger an.Diese Bindung per Blickkontakt könnte sogar eine entscheidende Rolle dafür gespielt haben, dass die Beziehung von Mensch und Hund so eng wurde, wie Nagasawa und seine Kollegen erklären. Im Laufe der Domestikation lernte der Hund, auf diese Weise seine soziale Bindung zu kommunizieren und förderte so die Koevolution beider Partner.

(Science, 2015; doi: 10.1126/science.1261022)